Klare Worte bei Kreisversammlung Lüneburg des BVNON
„Letztes Jahr um diese Zeit in Oerzen habe ich Sie begrüßt mit den Worten: Die Zahlen sind gut, die Stimmung ist schlecht. Heute kann man sagen, die Zahlen sind sicherlich schlechter geworden und die Stimmung aber noch schlechter“, mit dieser Begrüßung hatte der Kreisvorsitzende des BVNON, Carsten Hövermann, bei der Kreisversammlung Lüneburg gleich zu Beginn die Marschrichtung vorgegeben.
Der Kreisvorsitzende freute sich über zahlreiche Ehrengäste. Neben dem Hauptreferenten des Tages, Agrarökonom Professor Dr. Harald von Witzke, konnte Hövermann die stellvertretende Kreisrätin der Stadt Lüneburg, Sigrid Vossers, die ehrenamtliche Bürgermeisterin der Stadt Lüneburg, Christel John, sowie die CDU-Abgeordneten aus dem Landtag Anna Bauseneick und Uwe Dorendorf, begrüßen. Daneben waren zahlreiche Samtgemeindebürgermeister, Hauptverwaltungsbeamte, ehrenamtliche Bürgermeister, Kreistagsmitglieder sowie befreundete Verbände, Institutionen, Behörden, Handel, Banken usw. gekommen. Der Landeszeitung dankte Hövermann für die intensive Begleitung in den letzten Monaten.
Stimmung teilweise aufgeheizt
„Woran liegt das?“, fragte Hövermann mit Blick auf die schlechte Stimmung und zählte zahlreiche EU-Vorgaben, von Stilllegung über Farm-to-Fork, SUR oder auch geringere Ausgleichzahlungen von der GAP auf, wodurch es geringere Erlöse gebe. „Wir haben weiterhin ein Wirrwarr an Roten Gebieten“, und in der Tierhaltung sei ein starker Rückgang bei den Schweineschlachtungen zu verzeichnen, so dass Deutschland inzwischen Nettoimporteur sei. Es gebe weder Konzepte noch Förderung für den Umbau der Tierhaltung, dafür aber gesunkene Preise für viele Produkte, besonders bei Getreide: „Das alles mündet in eine historisch schwache Investitionsbereitschaft.“ Überbordende Bürokratie und fehlende Planung hätten dazu geführt, dass die Landwirte auf den Straßen waren. Hövermann dankte allen, die mitgemacht haben und zog ein positives Zwischenfazit. Die Rücknahme die Kfz-Steuer-Befreiung, die Rücknahme der 4%-Regel und eine Zunahme des gesellschaftlichen Verständnisses, seien alles Erfolge, die man erreicht habe. „Reicht das aus?“, fragte Hövermann. „Nein“, antwortete er gleich selbst, man dürfe nicht immer nur das Schlimmste verhindern, man brauche einen Politikwechsel hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Planungssicherheit. Der Politik müsse man nun die Chance geben zu verstehen und Zeit bis zum 30. Juni einräumen, einen verbindlichen Zeitplan zu erstellen, was man bis wann zu ändern gedenke. Das müsse der Bewertungsmaßstab für den Erfolg sein.
Mit Blick auf die Demonstration wurde Hövermann ebenfalls deutlich. Er forderte Toleranz auch auf Seiten der Landwirte und Maßhalten. Worte und Taten müssten werteorientiert und frei von Verunglimpfung sein. Es schade dem gesellschaftlichen Ansehen, wenn man gewollt oder ungewollt gemeinsame Sache mit Verschwörungstheoretikern oder Rechtsaußen mache, „oder im Dunkeln Misthaufen oder Baumstämme abwerfe!“ Er wolle nicht spalten, unterstrich der Landwirt, aber wir müssen konstruktiv und werteorientiert diskutieren: „Wir werden gebraucht!“
Und: “Unsere Flächen sind absoluter Dreh- und Angelpunkt für erneuerbare Energien. Wir sind in guter Position!“
Zu den Bauerprotesten positionierte sich auch Hövermanns Co-Vorsitzender, Boris Erb. Die Demos seien ein klares Zeichen, dass es so nicht weitergehen könne, doch: „Demokratie ist die Abwägung verschiedener Interessen, wir müssen da jeden Tag Arbeit reinstecken und Offenheit zeigen für die Meinung der anderen.“
Viele Grüße aus Politik und Verwaltung
Anschließend richtete die stellvertretende Kreisrätin Sigrid Vossers ein Grußwort an die Versammlung. Vossers dankte für die klare Positionierung des BVNON und hob den Netzwerkabend als Beispiel für die gelungene Zusammenarbeit mit dem BVNON hervor, die z.B. auch im Bereich Wasser vorhanden sei, etwa beim runden Tisch Grundwasser. Sie verwies zudem auf das Projekt IWAMAKO (Integriertes Wasserversorgungs- und -Mengenmanagementkonzept für den Raum Lüneburg-Uelzen) bei dem es zum Beispiel darum ginge, Wasser aus der Elbe zu nutzen.
Vossers kam auch auf das neue ROP für den LK Lüneburg zu sprechen, das Wildwuchs verhindere und die Versorgung sichere, z.B. im Bereich erneuerbarer Energien: „Wind gibt es reichlich, wir müssen ihn nutzen.“ Zum Abschluss wiederholte sie: „Die Zusammenarbeit mit dem BVNON ist richtig gut, lassen sie uns das auch weiterhin so machen.“
Carsten Hövermann stimmte der Einschätzung anschließend zu, dass er die Zusammenarbeit mit dem Landkreis „super“ fände, bevor er das Wort an Christel John, ehrenamtliche Bürgermeisterin der Stadt Lüneburg, übergab. Sie sei Nutzerin landwirtschaftlicher Produkte sagte sie und stellte klar, dass sie die Bauern verstanden habe: „Sie haben sich bemerkbar gemacht und uns gezeigt, dass es so nicht weitergehen kann.“ Den meisten Menschen sei nicht bekannt, wie sehr Landwirte dokumentieren müssten.
Ein Grußwort richtete auch der Landtagsabgeordnete Uwe Dorendorf (CDU) an die Versammelten. Mit selbstkritischen Tönen bezüglich seiner eigenen Partei, „wir waren ja auch mal an der Regierung und das ist auch nicht alles glatt gelaufen“, formulierte Dorendorf den Wunsch, einen Landwirtschaftsminister vom Fach und aus der Fläche, aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, oder Mecklenburg-Vorpommern zu bekommen, „also einen, der unsere Probleme kennt.“ Eine Vielzahl dieser Probleme riss Dorendorf an, Renaturierung, Wolf, Pflanzenschutz, oder das vielschichtige Thema Wasser: Man dürfe die Wasserversorgung nicht aus dem Blick verlieren, auch wenn die gute Nachricht sei, dass das Grundwasser wieder auf dem normalen Niveau sei. Er kritisierte, dass für den Aufbau des Hochwasserschutzes nur 2,8 Millionen Euro vorgesehen seien, das müsse natürlich in einer ganz anderen Größe erfolgen. Die Kombination aus Landwirtschaft und Energie sei eine effiziente Nutzung der Agrarfläche. Aber warum es eine Splittung in zunächst 3,2% und dann nochmal 0,8% Prozent Vorrangfläche für WIND geben soll, sagte Dorendorf aufgebracht: „Warum macht man das nicht gleich in eins?“ Und fuhr fort „25 Monate Genehmigungsdauer in Niedersachsen für eine Windkraftanlage“, sei einfach viel zu lang, es fehle an Planungssicherheit.
„Wir brauchen die Beregnung“
Boris Erb dankte Dorendorf für die klaren Worte: „Du sprichst uns aus der Seele“, betonte er. Erb ging auf das Thema Beregnung ein und sagte, wassersparende Technik, wie zum Beispiel die Kreisberegnung, passe nicht überall, weshalb es auch anders gehen müsse. Die Basis für die Wassermengen die der Landkreis vergibt, ist der Mengenbewirtschaftungserlass: „Darauf warten wir schon seit einiger Zeit, dass dieser verabschiedet wird“, unterstrich er. Die relevanten Grundwasserkörper Ilmenau-Lockergestein links und rechts sehen demnach noch gut aus, betonte er. Die Bedarfe können in den nächsten Jahren besser gedeckt werden als häufig angenommen. Weitere Punkte im Entwurf des Erlasses habe man von Beginn an kritisiert. Die Landwirtschaft wurde in einem trockeneren Szenario herangezogen bzw. gerechnet als andere Bereiche, es müsse jedoch eine Gleichbehandlung geben. Außerdem sollen nur 25 Prozent der genehmigten Menge überschritten werden dürfen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren, für die die Mengen genehmigt wurden, brauche man in Jahren mit besonderer Trockenheit größere Spielräume von bis zu hundert Prozent. Da wir in einer Region mit Kartoffelanbau leben, haben wir höhere Bedarfe beim Wasser. In den Winterniederschlägen würden die Reserven wieder aufgefüllt, die man in der Region halten müsse: „Dafür brauchen wir Speicherbecken!“ Auch alternative Lösungen wie Wasser aus dem Elbe-Seitenkanal seien erforderlich, um den Bedarf zu decken. In diesem Zusammenhang sei es zudem dringend erforderlich, dass seit zehn Jahren noch nicht fertig gestellte hydrogeologische Gutachten endlich zu erhalten. Wasserbedarfe zu decken sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, betonte der Vorsitzende.
Erdkabel und Pflanzenschutz
Der stellvertretende BVNON-Geschäftsführer Aaron Jaschok richtete den Blick auf das Thema Strom. Die kürzlich abgeschlossene Zukunftsvereinbarung mit TenneT lobte er. Der Vertragsentwurf sei gut und böte den Landwirtinnen und Landwirten ein gutes Fundament für Freileitungen wie die Ostniedersachsenleitung durch das Verbandsgebiet. Weiter sei aber auch eine Erdverkabelung durch den Landkreis geplant, eine Verlegung durch den Boden sei grundsätzlich schwierig. Dass es eine teure Erdverkabelung geben solle für die Gleichstromleitung Südwestlink (DC42), sei eine politische Entscheidung. Jaschok hob zudem den Erfolg hervor, dass das die geplante SUR-Verordnung vom Tisch sei und lobte die gute Kooperation mit Verarbeitern und anderen Landvolkverbänden. Pflanzenschutzmittelreduktion sei technisch lösbar, das wäre der Königsweg, sagte er.
Ernährungssicherung ist ein globales Thema
Gastreferent Professor Dr. Harald von Witzke vom Albrecht Thaer Forum zeichnete in seinem Vortrag „Zeitenwende für die Landwirtschaft: Die neue Ära der Knappheit“ ein wenig optimistisches Szenario. Als Experte für internationalen Agrarhandel warf er einen globalen Blick auf die Produktion landwirtschaftlicher Güter, weshalb die Bewertung der heimischen Produktion nur im internationalen Kontext realistisch sei. Zum Beispiel sei der Weizenpreis seit dem Jahr 2000 von 2,50 Dollar auf heute 8,50 Dollar pro Bushel gestiegen, was insbesondere für ärmere und Entwicklungsländer ein Problem darstelle. Bis 2050 muss die Erzeugung in der Primärproduktion zu 90 Prozent von den Ertragsstandorten kommen, von den Flächen, die wir haben. Landwirtschaftliche Fläche werde überall knapper, warnte der gebürtige Niedersachse. Deshalb sei die derzeitige Agrarpolitik seiner Ansicht nach „anachronistisch“. Vor allem kritisierte von Witzke den Green Deal. Der Versuch Biodiversität zu sichern und Lebensmittel auf derselben Fläche zu erzeugen, sei das Gegenteil von sinnvoll. Intensivere Nutzung der Flächen, genauer Flächenspezialisierung für landwirtschaftliche Erzeugung, würde erlauben, einzelne ertragsschwache Flächen komplett aus der Produktion zu nehmen. Um so mehr Lebensräume für Flora und Fauna zu erhalten und einen Biotopverbund zu erzeugen. All dies belegte der Agrarökonom mit reichlich Zahlen. Es gebe immer weniger Ansprechpartner in der Politik, die noch etwas von der Sache verstehen, beklagte von Witzke. Flächen in Hochertragsstandorten zwangsläufig stillzulegen oder nur reduzierte Erträge zu erzeugen, halte er für verantwortungslos. Mit Blick auf die allgemeine Forderung nach einem niedrigeren Fleischkonsum betonte der Experte, die Musik spiele in den Entwicklungsländern, dort werde tierisches Protein konsumiert. Professor von Witzke zeichnete mögliche Konsequenzen eines Nicht-Handelns auf - von politischen Unruhen über Gewalt bis zu einer weiteren Steigerung der ohnehin schon hohen Kindersterblichkeit in armen Ländern und daraus resultierender Migration, kämen enorme Konflikte auf uns zu: „Wir sollten die Lebensmittel dahin liefern.“ Und unsere Argumente in die Breite tragen, sagte er abschließend.
Beeindruckt und schockiert zeigte sich die Versammlung von Witzkes Ausführungen. In der Diskussion wurde deutlich, wie tief der Frust über Politik und Verwaltung bei den Landwirten sitzt. Nötige Entscheidungen stehen aus, es fehle an Mut uns Sachverstand. Das große Ganze stehe auf dem Spiel, so die Stimmen.
Neues Vorstandsmitglied für Lüneburg
In Abwesenheit wurde Phillip Rund aus Oldendorf einstimmig neu in den Lüneburger Vorstand gewählt. „Das wird bestimmt richtig gut“, zeigte sich Carsten Hövermann zuversichtlich. Rund folgt auf Johanna Nunnemann aus Neu-Wendischthun, Amt Neuhaus. Neben weiteren, sei ein Grund für das Ende ihrer ehrenamtlichen Arbeit, die schlechte Anbindung ihres Heimatortes an den Großteil des Landkreises Lüneburg, genauer, die fehlende Elbebrücke. Allzu oft konnte sie in den vergangenen Jahren nicht an Terminen des BVNON teilnehmen, weil die Elbfähre nicht oder selten fuhr: “Alle 40 Minuten fährt eine Fähre und es passen neun Autos drauf“, kommentierte Carsten Hövermann.
„Wir brauchen die Elbbrücke“, forderte auch sein Vorstandskollege Hannes Kruse in seinem Schlusswort. Kruse verabschiedete die Versammlung und fasste zusammen: „Wir haben gerade gehört, wir haben täglich 8000 tote Kinder weltweit wegen Unterernährung und wir reden hier über Stilllegung auf Hochleistungsstandorten“, zeigte sich er sich entsetzt. Dennoch, oder gerade deshalb, freue er sich darauf „endlich mal wieder auf die Felder zu können und unseren Tätigkeiten nachzugehen!“ Damit sprach er sicher vielen der anwesenden Landwirte aus der Seele.
Bild zur Meldung: Klare Worte bei Kreisversammlung Lüneburg des BVNON